Gelungener Auftakt an der Weser: 120 Gäste beim Wesercamp auf Harriersand
Ein paar Schauer taten der Stimmung keinen Abbruch, denn auch die Sonne ließ sich reichlich blicken: Am Wochenende trafen sich Interessierte rund um die Themen Wasser, Weser und Landwirtschaft auf der Flussinsel. Dort hatten vielfältige Initiativen ein breites Angebot von Workshops auf die Beine gestellt.
Alle verbindet die Sorge um die Weser und ums Wasser. Die Weservertiefung war ein gewichtiger Teil der inhaltlichen Diskussion: Warum einen Fluss weiter vertiefen, wenn die Häfen auch ohne die Vertiefung klar kommen und schon die bisherigen Schäden in der Wesermarsch durch Verschlickung und Versalzung enorm sind? „Alle sind glücklich, wenn unsere Tiere auf der Weide sein können. Dazu brauchen wir qualitativ gutes Süßwasser in unseren Gräben!“ konstatierte Edzart Grabhorn, Sprecher von Bioland Jade-Ammerland und ökologischer Landwirt in Seefeld bei der Eröffnungsveranstaltung am Freitag Nachmittag im Braker Centraltheater.

Dorthin war auch die Radtour „Landwirtschaft in Bewegung“ gekommen, die zuvor zwei Wochen lang vom Oderbruch aus über Kassel am Ende die Weser entlang geradelt war, um verschiedene mehr oder weniger zukunftsweisende landwirtschaftliche Betriebe und Projekte zu besichtigen. Die Tour stellte sich in einem kurzen Grußwort vor: „Wundert euch also nicht, wenn hier an unserem Zielort 50 verschwitzte und glückliche Menschen mit Fahrradklamotten im Publikum sitzen!“
Junge Menschen aus verschiedenen Regionen und Initiativen der Klimagerechtigkeits- und Umweltbewegung prägten auch das Bild auf dem Camp. Ein Küchenteam sorgte zuverlässig und gut gelaunt für leckere Mahlzeiten. Aus dem Kreis der Teilnehmenden bildete sich ein Awareness-Team für einen guten Umgang untereinander und Vermittlungsmöglichkeiten im Konfliktfall. Im kulturellen Abendprogramm musste ein Lagerfeuer allerdings ausfallen, weil der Boden trotz neuer Niederschläge durch und durch trocken war: „Die außergewöhnliche Dürre der vergangenen Wochen und sogar Monate ist kein Einzelfall mehr. Aus der Klimaforschung wissen wir, dass Extremwetterlagen immer mehr zunehmen. Auf der einen Seite haben wir diese krassen Trockenperioden, auf der anderen Seite Starkregen wie zum Beispiel Ende 2023 mit den Überschwemmungslagen in Lilienthal und Oldenburg. Der Klimawandel ist leider real – und mit ihm sehen wir uns zunehmend Problemen im Wasserhaushalt ausgesetzt. All dies diskutieren wir hier auf dem Camp und schließen mit der Forderung, in dieser Situation alles zu tun, um das Wasser im Einzugsgebiet der Weser zu schützen und weitere Weservertiefungen und damit Risiken für die Region zu vermeiden“, erläutert Timo Luthmann vom Klima*Kollektiv. „Und ist es nicht Ironie des Schicksals, dass es jetzt zum Camp tatsächlich etwas regnet?“
Am Samstag konnten Übernachtungsgäste wie auch lokal Dazugekommene aus einem bunten Workshop-Programm auswählen. Beatrice Claus vom WWF erläuterte die Ökologie der Unterweser und aus welchen Gründen dieses besondere Flussmündungssystem in Gefahr ist. Gert Rosenbohm vom BUND Wesermarsch nahm die Teilnehmenden mit auf Reisen durch die Fischwelt und die Landschaft und Historie von Harriersand. Das Team der Fähre „Guntsiet“ war sprichwörtlich mit an Bord und bot den Gästen die notwendigen Überfahrten von Brake und eine Weserrundfahrt mit Blick auf Hafen, Fettraffinerie und ehemaligem Atomkraftwerk Unterweser. Ein Highlight war der Gesprächskreis der drei Kläger aus der Landwirtschaft gegen die Weservertiefung, Ralf Degen aus Nordenham, Leenert Cornelius aus Butjadingen und Dierk Dettmers aus Stadland. Eingeladen hatte Annette Chapligin, die unter anderem beim Aktionsbündnis gegen die Weservertiefung aktiv ist: „Die Erfahrung dieser drei Menschen ist enorm. Unermüdlich haben sie sich in den letzten 15 Jahren und länger für den Erhalt unserer Unterweser und für gute Bedingungen in der Weidewirtschaft eingesetzt, uneigennützig und kompetent. Mein Anliegen war es, ihren Erfahrungsschatz jüngeren und überregional Aktiven zugänglich zu machen und miteinander ins Gespräch zu kommen – das haben wir erreicht!“

Brake und Umgebung sind nicht nur ganz direkt für Wasser und Weser interessant, sondern weisen auch auf globale Zusammenhänge hin. Der Braker Hafen wickelt den Löwenanteil der deutschen Futtermittelimporte ab, beispielsweise Soja für die industrielle Tierhaltung von Schweinen und Geflügel im Südoldenburgischen. Dies verursacht Probleme in den Herkunftsländern, gefährdet aber auch Wassermenge und Wasserqualität hierzulande in den betroffenen Gebieten. Jutta Sundermann von der Aktion Agrar, die sich seit langer Zeit mit der Thematik beschäftigt, nahm diese Themen gemeinsam mit den Teilnehmenden ihrer Arbeitskreise unter die Lupe: „Nicht nur die Kritik an diesen Mechanismen ist hier Thema, sondern selbstverständlich auch die Entwicklung regionaler Alternativen und Kreisläufe. Ein spannender Ansatz ist der vermehrte Anbau von Hülsenfrüchten. Er ist auch in Deutschland problemlos möglich und sinnvoll für die Ernährung von Menschen und Tieren.“

Besonders weit angereist war eine Delegation der Christlichen Initiative Romero (CIR): Gladis Mucú aus Guatemala und Yoni Rivas aus Honduras berichteten, wie der Anbau von Palmöl auch für Olenex in Brake zu Vertreibungen und Zerstörungen in ihren Heimatländern in Mittelamerika beiträgt. Das deutsche Lieferkettengesetz – das ausgesetzt werden soll! – ermöglicht ihnen, Unternehmen zur Verantwortung zu ziehen, die von dieser Ausbeutung profitieren. „Verfolgung? Vertreibung? Verantwortung! Kein Palmöl aus Raubbau!“ war denn auch die Forderung von Robin Wood und CIR auf ihrem Transparent vor der Fettraffinerie – eine Forderung, der sich die Campteilnehmenden gerne anschlossen.

„Brake wird durch die Futtermittel- und Pflanzenölimporte in großem Stil auch in Zukunft ein Kristallisationspunkt von Fragen einer gerechten Landwirtschaft sein. Wie eng Klima- und Wasserfragen damit verknüpft sind, konnten wir alle auf dieser Veranstaltung lernen, sehen und fühlen. Wie möchten wir in Zukunft essen, wie gehen gute Lebensmittel und gute Bedingungen für die Höfe weltweit und für Wasser und Klima zusammen? Diese Fragen werden uns weiter bewegen. Wir können jetzt schon sicher sagen, dass wir dran bleiben“, zieht Jochen Dudeck vom BUND Wesermarsch Bilanz. „Wir brauchen eine vielfältige Bewegung, die uns hier vor Ort zusammenbringt mit den unterschiedlichen Organisationen, Initiativen und einzelnen Aktiven.“
Am Ende war alles sauber aufgeräumt: „Gruppen dieser Größe, die keinerlei Müll hinterlassen und so gut organisiert miteinander tagen und feiern, sind selten“ – mit einem großen Lob vom Platzwart Randers Kärber vom Zeltplatz Harriersand ging am Sonntag das Wesercamp zuende. Es schloss mit dem Vorhaben: Dieses Camp wird nicht das letzte bleiben, weitere Veranstaltungen sind in Planung.
